Doctorum honoraris causa

On April 11, 2018, the University of Siegen, my hometown, awarded the Ehrendoktor degree to me.  It spurred a week of events in Siegen, including the signing of the Golden Book in Siegen’s Rathaus, and the Fuerst-Johann-Moritz Gymnasium, my former highschool.  We just came back, exhausted, after a wonderful week meeting many nice people.

Below is my speech on the occasion of the award, in German.  Below that is an English translation.

 

Rede anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Universiät Siegen am 11. April 2018.             Joachim Frank

Sehr geehrter Herr stellvertretende Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Rektor, sehr geehrter Herr Dekan, sehr geehrte Kollegen von den Fakultäten, liebe damalige Mitschüler, liebe Familie, Freunde, und liebe Studenten!

Ich möchte mich für die Grussworte von Herrn Rektor Burckhart, die Laudatio von Herrn Professor Schönherr, und die besondere Ehrung durch den doctorum honoris causa der Universität Siegen ganz herzlich bedanken. Es bedeutet mir sehr viel, von der Universität meiner Heimatstadt in dieser grossherzigen Weise geehrt zu werden.

Als ich das Siegerland verliess, vor nunmehr 58 Jahren, um in die Welt der Academia zu ziehen, hatte ich ja keine Ahnung — oder auch nur einen Funken Hoffnung — dass ich eines Tages mit grossen Ehren überhäuft zurückkehren würde. Die vielen Glückwünsche, die mich letztes Jahr von Deutschland erreichten, haben mir bewusst gemacht, dass ich in den Augen von vielen Freunden und Bekannten nun doch ein Deutscher geblieben bin.

Die Würdigung einer Lebenszeit-Leistung durch die Nobel Foundation hat natürlich meine Gedanken zurückgelenkt auf meine Herkunft, auf das Elternhaus in the Engsbachstrasse — in der Ähsbich – auf meine Eltern, Lehrer, und damaligen Mitschüler und Spielgefährten.

In den zahlreichen Interviews kam immer wieder die Frage auf, was ich in der Kindheit gemacht habe, das mich etwa in Richtung Wissenschaft getrieben oder gelockt hat. Die Antwort ist, dass ich schon als 8-jähriger einen grossen Teil meiner Zeit im “Kabäuschen” verbracht habe – dem Platz unter der Veranda meines Elternhauses, der uns für eine kurze Zeit nach dem Krieg als Schweinestall gedient hatte. Dort bastelte ich, baute Regale. Ich füllte kleine leere Magenbitter-Fläschchen mit allen möglichen Reagenzien, die ich mischte, um eine unerklärliche Neugierde zu befriedigen. Wie Karbid mit Wasser reagiert. Wie ein Metall wie Zink in einer Säure völlig verschwinden kann. Warum Kohle, wenn aufgeheizt, ein brennbares Gas ausscheidet. Später kam das Radio-Basteln dazu. Und was die Theorie betraf, mein Elternhaus hatte einen unglaublichen Schatz im Wohnzimmerschrank: das zwanzig-bändige Meyer’s Konversationslexikon von 1905 — jeder Band mit 1000 Seiten — in dem ich geblättert habe, seitdem ich lesen konnte.

Als Kind, wie Sie wissen, hat man ja keine Ahnung was nun typisch und untypisch ist in der nahen Umwelt. Ich wusste nicht, wie andere Kinder ihre Zeit zu Hause verbrachten, und fand an meinen stundenlangen Forschungen nichts aussergewöhnliches.

Also von diesem Punkt, von der völlig unsystematischen Explorierung der Natur und der materiellen Welt durch einen kleinen Jungen bis zum Beschluss des Abiturienten, in die Wissenschaft zu gehen, ist es eine grade Linie. Vor allem, wenn man einen begeisterten Mann wie Willy Schröder als Physiklehrer im Gymnasium hat. (Den nannten wir Schöner Willy, weil sein Haar stets in glänzenden Wellen gekaemmt war. Ich habe das nur später mit der Schrödingerischen Wellenmechanik in Verbindung gebracht.)

Als ich mir die Interview-Frage (d.h., was mich vielleicht in der Kindheit fuer die Wissenschaft prädestiniert hätte) dann aber weiter überlegt habe, kam es mir, dass auch ein anderer Einfluss wesentlich war, der direkt mit dem Erlebnis der totalen Unordnung des Krieges und den Trümmern der Nachkriegszeit verbunden war: das Streben, Ordnung zu schaffen, die Suche nach Bedeutung in einer chaotischen Welt. Dieses Streben, diese Suche kann letztlich von einem Leben in der Wissenschaft befriedigt werden.

(Dabei will ich nicht ausschliessen, dass die Beschäftigung mit Kunst und Literatur ebenfalls als Resultate von einem Streben zur Ordnungsgestaltung verstanden werden können – nur nehmen sie unser ganzes Kulturgut sowie unsere tägliche Eindrücke als Rohmaterial und folgen Regeln, die viel mehr elastisch sind als die der wissenscaftlichen Forschung.)

Ich bin mir jetzt auch bewusst, dass ich als 77-jähriger zu einer aussterbenden Generation gehöre, die im Krieg geboren wurde und die ganze Wucht der Nachkriegszeit als Kind erlebt hat. Als vier-jähriger sah ich Timpe’s Haus an der Ecke Engsbachstrasse/Siegstrasse in Flammen aufgehen. Dann wurde unser Haus von Brandbomben getroffen und wir mussten für ein Jahr lang nach Hilchenbach ziehen. Der Krieg endete, während wir in Hilchenbach waren.

Für uns Kinder, Spielen in Trümmerfeldern war ein ganz tolles Erlebnis. Ich war in unserer Nachbarschaft sozusagen ein Schmuddlekind von gutem Haus. Ich kann mich erinnern, dass ich in den Trümmern Kupferleitungen und gebrochene Bakelit-Armaturen fand, und ein grosser Wurf von jungen, rosafarbenen Mäusen – alles wunderbar und faszinierend, nur durfte man nichts davon am Abendtisch erzählen.

Die Strassen von unserer Nachbarschaft waren grosse Spielplätze, praktisch ohne Verkehr; alle halbe Stunde kam vielleicht ein Holzfeuer-getriebener Kleinlastwagen mit grossem Getöse um die Ecke, und scheuchte uns alle auf das Trottoir. Wir spielten Prellball mit Regeln, die ich später in Amerika als denen von Baseball wiedererkannte. Wir spielten auch ein Ballspiel namens “Weltkrieg,” wo jeder Spieler ein Land besass, mit Kreide auf der Strasse markiert. Das startete zum Beispiel mit dem Schrei “Deutschland – erklärt! – den Krieg – gegen (eine Pause, zur Vorbereitung der Überraschung) – England!” mit komplizierten Regeln wer nun sein Land mit seinem draufgesetzen Fuss verteidigen musste und wer hinter dem Ball herlaufen sollte.

Die Uni Siegen existierte noch nicht, als ich Pennäler war, und meinen täglichen Weg von der Engsbachstrasse über die Haardt zum Fürst-Johann-Moritz Gymnasium machte. Stattdessen war dort überall Hauberg, deren niedrige Büsche mir einen weiten Blick über das Hüttental erlaubten. Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass ich eines Tages, in einem Gebäude, das in Gehweite steht von dem höchsten Punkt meines täglichen Weges, in dieser ausserordentlichen Weise geehrt würde.

Also um meine Danksagung zu beenden, sollte ich hervorheben, dass ich vielen Leuten, die mich auf meinem Weg begleiteten, sehr zum Dank verpflichtet bin. Es gab den Lehrer Münker in der Grundschule, der früh von meiner Zukunft im Gymnasium fest ueberzeugt war. Da war der bereits-genannte Schöne Willy im Gymnasium. Da waren meine Eltern und Geschwister, die mich durch dick und duenn begleiteten und mir immer Mut machten. Dann die Professoren, die mich als Mentoren geleitet haben, erst an der Uni Freiburg, dann Uni München und Technische Hochschule München. Und von dann an kamen Scharen von Studenten und Postdocs, sowie Mitarbeiter, die mit mir meine Träume wahrgemacht haben. Eine besondere Würdigung soll meiner Frau Carol Saginaw zugehen, die das Leben mit einem zerstreuten Professor nicht gescheut hat, und mich für fast vierzig Jahre ganz liebevoll unterstützt hat.

 

Speech on the occasion of the award of the honorary doctor degree by the University Siegen, on April 11, 2018                                             Joachim Frank

I would like to cordially thank Rektor Burkhardt for his greeting, Dekan Schoenherr for his generous Laudatio speech and the University Siegen for honoring me with the doctorum honoris causa. It means a lot to me to be honored in this special way by the University of my hometown.

When I left the Siegerland, 58 years ago, to go into the world of Academia, I had no idea, or even a spark of hope, that I would return heaped with honors one day. The many congratulations that reached me last year especially from Germany made it clear to me that I still have remained a German in the eyes of many friends and acquaintances.

The recognition of my life’s work by the Nobel Foundation has of course redirected my thoughts to my origins, to my parents’ house in the Engsbachstrasse – the Aesbich in the local dialect – and to my parents, teachers and my classmates and playmates of that time.

There was one question that came up in the numerous interviews [since October 4], namely what I had done during my childhood that might have directed me or lured me in the direction of Science. The answer is that as eight-year old already I spent a great deal of my time in the “Kabäuschen” – the place under the verandah of my parents’ house, which had served us as a pigsty for a brief time after the War. This is where I tinkered, and built shelves. I filled little Magenbitter bottles with all kinds of fluids, which I mixed to still my unexplicable curiosity. How carbide reacts with water. How a metal like zinc can completely disappear in acid. Why carbon, when heated, emits a flammable gas. Later on the tinkering with radios commenced. And as far as Theory was concerned, my parents’ house had an unbelievable treasure in the cupboard of the living room: the twenty-volume Meyer’s Encyclopedia from 1905 – each volume with 1000 pages – through which I leaved ever since I was able to read.

As a kid, as you know, one doesn’t have an idea about what is typical and what is atypical in the close surroundings. I didn’t know how other kids spent their time home and didn’t think of my hours of “research” under the verandah as something extraordinary.

But from this point, from the totally unsystematic exploration of nature and the material world of the little boy, to the decision of the abiturient to go into Science is a straight path. Especially if one has an enthusiastic man as Willy Schroeder for physics teacher. (We called him “Schoener Willy” since he always kept his hair kempt in smooth waves. Only late I have made a connection with Schroedinger and the Wellen Mechanics).

When I thought about the interview question (i.e., the one about my possible predestination for science in childhood) more carefully, it occurred to me that another influence was at work, which had to do directly with the experience of total disorder brought by the War and the experience of seeing the ruins in postwar time: the urge to create order and the search for meaning in a chaotic world. This urge, this search can eventually be satisfied by a life in Science.

(With this I don’t mean to exclude the fact that the occupation with arts and literature can equally be understood as results of a strive for order – but these take all manifestations of our culture as well as our daily impressions as raw material and follow different rules that are more elastic than those of scientific research.)

I’m now conscious of the fact that, as a 77-year old, I belong to a dying-out generation of people born in the War, who have experienced the full force of the post-War time. As a four-year old I saw Timpe’s house at the corner of Siegstrasse/Engsbachstrasse go up in flames. Then our own house was hit by incendiary bombs and we had to seek shelter in Hilchenbach for a whole year. The War ended while we were still in Hilchenbach.

For us children, playing in the ruins was a fabulous experience. You could say that in our neighborhood I was a Schmuddlekind from the good home. I remember finding copper wires and broken Bakelite armatures, and a large litter of little pink mice – all wonderful and fascinating, except one couldn’t talk about it at the dinner table.

The streets of my neighborhood were vast playgrounds, practically bare of traffic; every half hour perhaps a small wood-fired truck would come around the corner with great noise, chasing us onto the walkway.   We played “Prellball” with rules that I later recognized as those of baseball after I went to America. We also played a game called “World War”, where each player owned a country marked with chalk on the street.   It started for instance with the shout “Germany – declares – war – against (and now a big pause, for surprise effect) – England! with complicated rules on who had to stay and who had to run after the tossed ball.

The University Siegen didn’t exist at the time I went over the Haardt mountain every day to the Fuerst Johann Moritz Gymnasium. Instead there was “Hauberg” (oak brush kept low, typical of the Siegerland, used for tanning as well as for making wood coal) everywhere, whose low bushes afforded me a wide view over the valley. I wouldn’t have dreamt that one day, in a building not far from the highest point of my walk, I would be honored in this extraordinary way.

In concluding my speech, I would like emphasize that I owe thanks to many people who accompanied me on my journey. There was my teacher Muenker in elementary school who was firmly convinced my future was in the Gymnasium. There was the Schoene Willy, the physics teacher I mentioned before. There were my parents and siblings who accompanied me through thick and thin and gave me courage. Then the professors who guided me as mentors.   And then came the flocks of students and postdocs, as well as colleagues and collaborators, who helped me fulfill my dreams. But a particular thanks should go to my wife Carol Saginaw, who did not shy away from spending her life with a scattered professor, and who has supported me in a loving way for almost forty years.

 

 

 

 

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