Borges: An die Deutsche Sprache
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Lila Bujaldón de Esteves, professor of German Literature at the Universidad Nacional de Cuyo in Mendoza, Argentina, whom I met at a visit to this university in 2019, sent me an interesting article, which appeared in the Frankfurter Allgemeine. It deals with Borges’ fascination with the German language. She also sent me Borges’ ode to the German language, translated into German by Jan Wilhelms.
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An die deutsche Sprache
Mein Schicksal ist die Sprache Kastiliens,
das Erz Francisco de Quevedos,
doch in der sacht schreitenden Nacht begeistern
mich andere, intimere Musiken.
Die eine wurde mir vom Blut gegeben –
o Stimme Shakespeares und der Heiligen Schrift -,
andre vom Zufall, der freigebig ist,
dich aber, milde Sprache Deutschlands, habe
ich selbst erwählt und ganz allein gesucht.
Durch Nachtwachen und durch Grammatiken,
durch den Dschungel der Deklinationen,
durchs Wörterbuch, das niemals die genaue
Schattierung trifft, hab ich mich genähert.
Voll von Vergil sind meine Nächte, hab ich
einmal gesagt; ich hätt auch sagen können,
voll Hölderlin und von Angelus Silesius.
Heine gab mir seine hohen Nachtigallen,
Goethe gab mir das Glück von später Liebe,
die nachsichtig und dabei käuflich ist;
Keller die Rose, die eine Hand läßt
in der Hand eines Toten, der sie liebte
und nie wissen wird, ob sie weiß, ob rot ist.
Du, Sprache Deutschlands, bist dein größtes Werk:
die verflochtenen Liebschaften
zusammengesetzter Wörter, offene Vokale
und Laute, die noch den beflissenen
Hexameter des Griechen ermöglichen,
und dein Raunen von Wäldern und von Nächten.
Einmal besaß ich dich. Heute, an der Grenze
der müden Jahre, kann ich dich noch ahnen,
so fern wie die Algebra und der Mond.
Mein Schicksal ist die Sprache Kastiliens,
das Erz Francisco de Quevedos,
doch in der sacht schreitenden Nacht begeistern
mich andere, intimere Musiken.
Die eine wurde mir vom Blut gegeben –
o Stimme Shakespeares und der Heiligen Schrift -,
andre vom Zufall, der freigebig ist,
dich aber, milde Sprache Deutschlands, habe
ich selbst erwählt und ganz allein gesucht.
Durch Nachtwachen und durch Grammatiken,
durch den Dschungel der Deklinationen,
durchs Wörterbuch, das niemals die genaue
Schattierung trifft, hab ich mich genähert.
Voll von Vergil sind meine Nächte, hab ich
einmal gesagt; ich hätt auch sagen können,
voll Hölderlin und von Angelus Silesius.
Heine gab mir seine hohen Nachtigallen,
Goethe gab mir das Glück von später Liebe,
die nachsichtig und dabei käuflich ist;
Keller die Rose, die eine Hand läßt
in der Hand eines Toten, der sie liebte
und nie wissen wird, ob sie weiß, ob rot ist.
Du, Sprache Deutschlands, bist dein größtes Werk:
die verflochtenen Liebschaften
zusammengesetzter Wörter, offene Vokale
und Laute, die noch den beflissenen
Hexameter des Griechen ermöglichen,
und dein Raunen von Wäldern und von Nächten.
Einmal besaß ich dich. Heute, an der Grenze
der müden Jahre, kann ich dich noch ahnen,
so fern wie die Algebra und der Mond.
Jorge Luis Borges
From the last book of poetry of Borges: El Oro de los Tigres, Buenos Aires 1972. Translated into German by Jan Wilhelms
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